Wie wir Marketing verstehen
Die nachfolgenden Ausführungen mögen an manchen Stellen vielleicht etwas nach Theorie klingen oder gar an ein Lehrbuch erinnen. Sie sollen jedoch deutlich machen, mit welcher Systematik bei DMD gearbeitet wird und was konkret gemeint ist, wenn von professionellem Marketing die Rede ist. Lassen Sie sich also bitte nicht abschrecken, sondern folgen Sie uns auf eine kleine Reise.
Entwicklung des Marketing
Halten wir einmal einen Moment inne und werfen wir einen Blick zurück. Zurück auf die Ursprünge, zurück um besser zu verstehen was modernes Marketing ausmacht und weshalb es auch in der Zukunft der maßgebliche Denkansatz und Handlungsrahmen für eine erfolgreiche Marktbearbeitung sein wird.
Nach dem Entstehen arbeitsteiliger Gesellschaftsstrukturen hat der Mensch bereits in der Frühzeit versucht die von ihm im Tauschhandel oder später auf dem Markt angebotenen ‚Produkte‘ besonders hervorzuheben um ihren ‚Verkauf‘ zu erleichtern. (Siehe hierzu auch eine interessante Zeitschiene, die im Marketing Museum abgebildet ist.)
Die Idee des Marketing selbst entstand im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und wie nicht anders zu erwarten in den USA. Nachdem sich die Werbung als Möglichkeit der Hervorhebung von Produkten und Leistungen längst etabliert hatte begann man sich Gedanken darüber zu machen, wie der Absatzprozess systematisiert und verbessert werden konnte. Die ersten Schritte zum modernen Marketing waren entstanden.
Marketing war von je her eine empirisch ausgerichtete Angelegenheit. In der Wirtschaft machte man sich Gedanken darüber wie der Absatzprozess wirksam gefördert werden könnte und ersann und testete die unterschiedlichsen Instrumentarien hierzu. Konnten sie Erfolge erzielen so wurden sie ins ‚Marketing-Instrumentarium‘ übernommen. Obwohl die ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Feld des Marketing bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgten war und ist Marketing im Schwerpunkt noch immer eine descriptive Wissenschaft durch welche die in der Praxis entwickelten Instrumentarien und Mechanismen beschrieben, systematisiert und in ihrer Wirkweise analysiert werden.
Old School vs modern und online
Immer wieder hört man in Diskussionen oder kann in einschlägigen Artikeln lesen über ‚Old School Marketing‘ und wie es geringschätzig verglichen wird mit einem ‚modernen Online-Marketing‘. Mit einer solchen Sichtweise disqualifiziert sich ein Diskussionspartner in meinen Augen als (in den meisten Fällen selbst ernannter) Marketing-Experte selbst.
Marketing ist in erster Linie eine Denkhaltung die zum Ziel hat den Erfolg am Markt zu optimieren. Hierzu bedient es sich eines Sammelsuriums an Instrumenten, die zu einem individuellen ‚Marketing-Mix‘ kombiniert werden. Selbstverständlich ist es für das Marketing erforderlich, sich mit den Zeitströmungen auseinanderzusetzen, neue Instrumentarien zu entwickeln und für ihren systematischen Einsatz zu optimieren. Waren zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch Druckerzeugnisse die zentralen Medien zur Übertragung von Werbebotschaften, so wurden sie bereits kurze Zeit später durch Kino, Rundfunk und Fernsehen unterstützt bzw. teilweise sogar ersetzt. Mit Entstehen des Internets etablierte sich Ende des 19. Jahrhunderts ein weiteres Medium (mit vielfältigen Möglichkeiten) von dem man sagen kann, dass es inzwischen den klassischen Medien den Rang abgelaufen hat.
Für einen Marketing-Profi gibt es aber nicht unterschiedliche Marketing-Ansätze (wie ‚klassisch‘ oder ‚modern‘) sondern verschiedene Instrumente deren er sich bedient und die er maßgeschneidert auf den Einzelfall bezogen einsetzt. Immer auch im Hinblick auf die Gepflogenheiten bei den jeweiligen Zielgruppen. Unter diesen Instrumenten gibt es dann ganz natürlich welche deren Einsatz weniger und andere, deren Einsatz sich mehr empfiehlt (immer im Hinblick auf ihre Wirkeffizienz). So gesehen kann man natürlich davon reden, dass z.B. Printwerbung in manchen Fällen nicht mehr so zeitgemäß ist wie z.B. Google Advertising. Das alles hat jedoch rein garnichts mit einem ‚veralteten‘ oder einem ‚modernen‘ Marketing zu tun.
Marketing-Strömungen und Schwerpunkte
Um das moderne Marketing zu verstehen ist es nicht wirklich wichtig sich an den von ihm benutzten Instrumentarien abzuarbeiten, als viel mehr seine Orientierungen und zugrundeliegenden grundsätzlichen Ausrichtungen im Zeitablauf zu sehen.
Mit einer vorwiegend international ausgerichteten Sichtweise lassen sich (nach Philip Kotler) 3 Phasen bzw. ‚Dimensionen‘ beschreiben:
- Marketing 1.0 mit dem Ziel Produkte zu verkaufen
- Marketing 2.0 mit dem Ziel Verbraucher zufriedenzustellen und zu binden
- Marketing 3.0 mit dem Ziel die Welt zu verbessern
Bezieht man den Fokus auf Deutschland und geht dabei etwas mehr ins Detail so sehen wir aktuell die folgenden Orientierungen des Marketing (Entwicklungsstufen nach Manfred Bruhn) in 10jährigem Abstand:
- Produktorientierung (ca. ab 1950) rein produktionsgetriggert aufgrund enormer Nachfrage in der Nachkriegszeit
- Verkaufsorientierung (ca. ab 1960) Hinwendung von der Produktion zum Vertrieb
- Marktorientierung (ca. ab 1970) mit Marktsegmentierung und Spezialisierung auf einzelne Bedürfnisse
- Wettbewerbsoientierung (ca. ab 1980) Hervorhebung von Alleinstellungsmerkmalen
- Umfeldorientierung (ca. ab 1990) als Reaktion auf ökologische, politische, technologische oder gesellschaftliche Veränderungen
- Dialogorientierung (ca. ab 2000) interaktive Ausrichtung der Kommunikation durch Internet und eMails
- Netzwerkorientierung (ca. ab 2010) Web 2.0, soziale Netzwerke, Word-of-Mouth
- xyz-orientierung (ca. ab 2020) what’s coming next?
Es ist aus diesen Darstellungen unschwer zu erkennen wie sich das Marketing den sich verändernden Strömungen des Zeitgeistes und damit des Marktes anpasst und weiterentwickelt.
Marketing-Instrumente und -Mix
Wie bereits zuvor angeführt bedient sich das Marketing verschiedenster Instrumente um seine Zielsetzungen zu erreichen. Systematisch betrachtet lassen sich diese Instrumente mehreren Gruppen zuordnen die auch gleichzeitig den Schwerpunkt ihrer Ausrichtung bezeichnen (es ist in diesem Zusammenhang auch immer wieder von den 4 bzw. 5 P’s die Rede):
- Produktpolitik (Product) z.B. Produktgestaltung, Stil, Qualität, Verpackung, Größe, Markenname, Sortimentsplanung, Service, Garantien, Innovationen
- Preispolitik (Price) z.B. Preisbestimmung, Rabatte, Boni, Zahlungs-, Lieferungs- und Kreditbedingungen
- Distributionspolitik (Place) z.B Standorte, Außen- und Innendesign, Lagerhaltung, Transportmöglichkeiten, Absatzkanäle und –mittler
- Kommunikationspolitik (Promotion) z.B. Werbung, Public Relations, Telefon-Marketing, persönlicher Verkauf, Verkaufsförderung, Messen, Sponsoring, Veranstaltungen, Online-Marketing
- Personalpolitik (People) z.B. Personalkapazität, Qualifizierung des Personals, Schulungsbedürfnisse, Mitarbeitermotivation
(Die obige Aufzählung soll einen Eindruck vermitteln über den Umfang und die Vielfältigkeit der von einem Marketing-Manager einsetzbaren und damit zu beherrschenden Instrumente. Sie erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weder aktuell noch zukünftig.)
Aus diesem ‚Bauchladen‘ wählt der Marketing-Profi die für die jeweilige Zielsetzung und Einsatzzweck passenden Einzelinstrumente aus und konfiguriert daraus ein in sich stimmiges ‚Marketing-Mix‘.
Konzept und Strategie
Wir haben bis jetzt viel über Instrumente und über grundsätzliche Ausrichtungen des Marketing geredet. Im Grunde genommen könnte man jetzt ja loslegen und ‚Marketing betreiben‘?
Nein, weit gefehlt! Eines der wichtigsten Elemente fehlt noch in unserer Betrachtung. Die alte Weisheit ‚jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt‘ mag zwar in vielen Fällen ihre Berechtigung haben, in unserem Falle ist es jedoch von elementarer Bedeutung sich zunächst einmal Gedanken darüber zu machen wo die Reise überhaupt hin gehen soll. Der Schlüssel hierzu sind konzeptionelle und strategische Überlegungen, also das systematische Vorgehen bei der Planung und Umsetzung von Vorhaben.
Um es als Grundlage etwas universell zu formulieren betrachtet
- die Strategie die Langfristigkeit und
- das Konzept die Kurz- bis Mittelfristigkeit
oder etwas esoterischer ausgedrückt beschreibt die Strategie den Weg zu einem Soll-Zustand und besteht das Konzept aus der Analyse des Ist-Zustandes mit der Festlegung des Weges zu diesem Soll-Zustand. Eine Strategie ist also immer auch Bestandteil eines Konzepts. Bevor ein Marketing-Profi also loslegt wird er immer erst strategisch und konzeptionell arbeiten und die daraus entstehenden Ergebnisse auf ihre Stimmigkeit und Tragfähigkeit hin überprüfen.
Damit sind wir auch bei einem für den Marketing-Mann extrem wichtigen Instrument angelangt, das sich jedoch nicht in die zuvor dargestellte Systematik der Marketing-Instrumente einpassen lässt.
Gemeint ist die Marktforschung (Research). Sie ist für den Marketing-Profi ein unverzichtbares Arbeitsinstrument. Nicht im Sinne einer eigenen Exculpation und damit Absicherung der vorgenommenen strategischen und konzeptionellen Entscheidungen, sonder vielmehr als Informationslieferant über Kunden, Märkte, Mitbewerber, etc. (und schlussendlich auch das eigene Unternehmen) und damit als Grundlage eben der strategischen und konzeptionellen Überlegungen hinsichtlich strategischer Zielsetzungen und dem konzeptionellen Einsatz einzelner Marketing-Instrumente sowie deren Wirkungen.
Marketing und Psychologie
Aufgabe des Marketing ist es, vordergründig formuliert, die Akzeptanz und damit den Absatz von Leistungen und Produkten zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen werden die in Frage kommenden Zielgruppen mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Marketing-Instrumente bearbeitet, d.h. angesprochen.
Hinter Zielgruppen, wie auch immer sie im Einzelfall definiert sein mögen, verbergen sich immer Menschen. Diese Menschen stehen somit im Zentrum aller Marketing-Bemühungen. Je mehr Informationen über diese im Focus stehnden Einzelpersonen und Gruppen zusammen getragen werden können, um so gezielter lassen sich diese durch adäquate (in der Regel kommunikative) Instrumente ansprechen. Bei der für das Marketing heranziebaren Daten- oder Informationsbasis unterscheidet man zwischen quantitativen (statistische Daten, strukturelle Zugehörigkeiten, etc.) und qualitativen (Merkmale ohne quantitativen Wert) Informationen.
Wichtige qualitative Informationen sind z.B. Persönlichkeitsstrukturen, Bedürfnisstrukturen, Wahrnehmungsebenen, Motivationsebenen, etc. Das moderne Marketing verfolgt auf diesem Hintergrund mit Hilfe der Kommunikationswissenschaft einen psychologischen Ansatz. Dabei interessieren Effekte auf individueller Ebene, die sowohl kognitive (Gedanken), affektive (Gefühle) als auch konative (Interpretationen) Reaktionen auf die abzugebenden Stimuli umfassen.
Dies wiederum impliziert natürlich, dass es für einen modernen Marketer enorm hilfreich ist über einen psychologisch orientierten Ausbildungsbackground oder zumindest über Rahmenkenntnisse in der Entwicklungs- und Neuro- sowie der Sozialpsychologie zu verfügen.